Kanzlei Jülicher
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht

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Fachanwalt für Erbrecht und Familienrecht in Heinsberg
Text drucken05.12.2015

Das verlorene Testament

In einem vom Bayerischen Obersten Landgericht (BayObLG) zu entscheidenden Fall (BayObLG, Beschluss vom 1.4.2004 – 1Z BR 013/04 = ZErb 2004, 266) hatten die beiden Töchter der verwitweten Erblasserin einen Erbschein auf Grund gesetzlicher Erbfolge erhalten. Einige Monate später beantragte eine der Töchter die Einziehung dieses Erbscheins. Sie sei in einem allerdings nicht aufgefundenen Testament der Erblasserin zur Alleinerbin eingesetzt worden. Ihre verstorbene Mutter habe von einem ihr bekannten Bürovorsteher eines Notariats einen Testamentsentwurf fertigen lassen und in maschinenschriftlicher Form erhalten. Dieser undatierte und nicht unterschriebene Entwurf trägt den Vermerk „muss handschriftlich errichtet werden“. Ihre Mutter habe Zeugen gegenüber erklärt, sie habe diesen Entwurf in ein handschriftliches Testament umgesetzt. Die vom Landgericht in der ersten Instanz vernommenen Zeugen konnten diese Behauptung des Antragstellers allerdings nicht zur Überzeugung des Gerichts bestätigen. 

Das BayObLG stellt klar, dass zum Nachweis eines testamentarischen Erbrechts grundsätzlich das Original des Testamentes vorzulegen ist, auf das das Erbrecht gestützt wird. Ist dieses Testament aber nicht auffindbar, kommt der allgemeine Grundsatz zum Tragen, dass es die Wirksamkeit eines Testaments nicht berührt, wenn die Urkunde ohne Willen und Zutun des Erblassers vernichtet, verloren gegangen oder sonst nicht auffindbar ist. In einem solchen Fall können Errichtung und Inhalt des Testaments mit allen zulässigen Mitteln bewiesen werden, wobei an den Nachweis sehr strenge Anforderungen zu stellen sind. 

Das Gericht bestätigte seine bisherige Rechtsprechung, dass derjenige im Erbscheinsverfahren für den Nachweis der Existenz eines Testaments die so genannte Feststellungslast trägt – d.h. dass zu seinen Lasten entschieden wird, wenn er den Beweis für seine Behauptung  nicht erbringen kann - , der seinen Antrag auf das nicht vorhandene Testament stützt. Der Einziehungsantrag wurde in dem entschiedenen Fall abgelehnt, da das Gericht nach der Zeugenvernehmung von der Existenz eines Testaments eben nicht überzeugt war. 

Praxishinweis: Steht fest, dass der Erblasser oder eine in seinem Auftrag handelnde Person die letztwillige Verfügung verändert oder vernichtet hat, geht man davon aus, dass das Testament mit dem Willen des Erblassers vernichtet wurde, weil er eben die Bestimmungen aus dem ursprünglichen Testament nicht mehr gelten lassen wollte. Diese Vermutung kann aber in einem Verfahren auch widerlegt werden.  Ist aber das Testament ohne Zutun des Erblassers lediglich verloren gegangen, muss der Aufhebungswille des Erblassers festgestellt werden. Es gibt nämlich keine allgemeingültige  Vermutung, dass ein nichtauffindbares Testament vernichtet wurde (BayObLG, DNotZ 1993, 452; KG, NJW-RR 1995, 1099). 




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